Anna-Lena Moeckl | Design
Leder_Hals und Flanken_Pflanzenfarben
Hals und Flanken
Über einen nachhaltigen Umgang mit Leder
Hals und Flanken ist ein Ergebnis der experimentellen Materialforschung mit Olivenextrakt gegerbtem Leder-Halbzeug. Die von Natur aus stark strukturierten Hautpartien an den Rändern der Tierhaut werden wegen „Fehlern“ oft aussortiert oder verdeckt. Dieses Konzept jedoch inszeniert den Ausschuss sowie die Spuren in der Haut und macht sie zum charakteristischen Merkmal. Es beinhaltet neben dem Produktdesign auch das gezielte Einwirken auf das Material. Die Lederhaut wird als Ganzes verarbeitet.
Leder mit Kontur
Hals und Flanken ist ein Ergebnis der experimentellen Materialforschung mit nachhaltigem Olivenleder. In der konventionellen Lederverarbeitung werden die von Natur aus stark strukturierten Hautpartien an den Rändern der Tierhaut – am Hals und an den Flanken – wegen Losnarbigkeit und „Fehlern“ oft aussortiert oder verdeckt. Dieses Konzept jedoch nutzt den besonderen Charakter dieser Lederpartien und der Ausschuss übernimmt eine Hauptrolle. Die Lederhaut wird als Ganzes verarbeitet, anstatt wie meist nur den Kern – „Croupon“ – für eine hochwertige Verwendung zu benutzen. Die Auswahl attraktiver Randbereiche bestimmt maßgeblich die Gestaltung. Die natürliche Form der Lederhaut wird zum charakteristischen Merkmal der Laptoptasche und bildet zugleich den Verschluss. Jedes Exemplar ist einzigartig und verändert den Blick auf die Haut des Tieres.
Spuren in der Haut –
Cellulite, Falten, Zeckenbisse
Gestalterisches Ziel ist nicht das Kaschieren, sondern das Inszenieren besonderer Hautstellen. Die Hervorhebung natürlicher Hautstrukturen und Unregelmäßigkeiten anhand gezielter farblicher Bearbeitung stellt einen Gegenentwurf zu dem üblichen Umgang des Aussortierens oder Verdeckens dar. Die Aufnahme von Farbstoffen wird erst durch unbehandeltes Leder-Halbzeug möglich. Dieses sogenannte „Neutrale“ ist eine konservierte Haut, besitzt aber keine Färbung und Fixierung. Durch spezielle Färbetechniken mittels Positiv-Negativ-Verfahren kommen inhärente Muster zum Vorschein.
Leder = natürlich?
Die Herstellung von Leder ist Teil eines Kreislaufs: Es ist die Abfallverwertung der Tierhäute aus der Fleischindustrie. Das Naturprodukt wird heute jedoch oftmals in mehreren Herstellungsschritten, u.a. durch Beschichtungen, verkünstlicht. Zudem sind außereuropäische Gerbereien aufgrund ihrer schlechten Ökobilanz und Arbeitsbedingungen zu kritisieren. Das hier verwendete Olivenleder ist hingegen unbedenklich und darüber hinaus allein in Deutschland produziert: Häute bayrischer Rinder, gegerbt in Niedersachsen, gefertigt im Rhein-Main-Gebiet.
Nachhaltiges Leder – Olivenblattgerbung
Eine ausgiebige Recherche und Auseinandersetzung mit dem Thema Nachhaltigkeit in der Lederproduktion – ökologisch, sozial und ökonomisch – bildete die Basis dieses Projekts. Die Olivenblattgerbung von „wet-green®“ überzeugte als nachhaltiges Verfahren. Hierbei wird aus dem Abfallprodukt Olivenblätter, welche bei der Olivenernte entstehen und normalerweise verbrannt werden, ein Extrakt zur Ledergerbung gewonnen. Demnach werden zur Gerbung der Tierhäute keine zusätzlich zu züchtenden Nutzpflanzen benötigt. Die üblicherweise bei pflanzlichen Gerbungen benötigten synthetischen Zusatzstoffe entfallen aufgrund der bereits vorhandenen, natürlichen, chemischen Zusammensetzung. Die Kooperation mit der Firma „Heller Leder“ ermöglichte mir das Eingreifen in den Verlauf der Lederherstellung zu einem frühen Zeitpunkt, um mit einem Leder-Halbzeug – dem „Neutralen“ – zu arbeiten.
Erinnerung an den Ursprung des Leders – Umgang mit dem Naturmaterial
Das Konzept Hals und Flanken stellt sich gezielt gegen die zunehmend „synthetisierte“ Materialverarbeitung und Produkterscheinung sowie den damit verbundenen ökologischen Problematiken des eigentlichen Naturwerkstoffs. Es hält die Erinnerung an den Ursprung des Leders aufrecht. Es verändert nicht nur den Blick auf die Haut des Tieres, sondern betont auch die individuellen Spuren seines Lebens sowie das vermeintlich Imperfekte.
„Echtes Leder“ steht für ein für viele Kunden erstrebenswertes Qualitätsmerkmal. Für die Verbraucher jedoch sind die Produktionsprozesse undurchsichtig. Der Bezug zum Material Leder scheint verloren gegangen zu sein. Das Produktkonzept schafft Anreize und fordert dazu auf, Leder im Naturzustand wertzuschätzen. Es zeigt, wie anhand eines Produkts, der bewusste Umgang mit dem Material unterstützt und der Bezug zu komplexen Sachverhalten kommuniziert werden kann.
Die Laptoptasche „erzählt“ durch ihre Produktsprache bereits von ihrer Materialherkunft. Näher beschrieben wird dies auch nochmals durch eine grafische und textliche Produktinformation, welche beim Kauf als Label der Tasche beiliegt. Materialgerechtes und nachhaltiges Gestalten ebenso wie die Auseinandersetzung mit den Zusammenhängen und Prozessen bilden die Grundlage für die Entwürfe.
In Kooperation mit
Heller Leder GmbH & Co. KG, Hehlen
DLM Deutsches Ledermuseum Offenbach am Main
Picard Lederwaren GmbH & Co. KG, Obertshausen
Jacobs GmbH, Eppertshausen
Das Projekt wurde betreut von Prof. Petra Kellner und Dipl. - Des. Knut Völzke
Entstanden an der HfG Offenbach am Main
Keeping the contour
The inherently strongly structured areas at the sides of an animal hide – the neck and the bellies – are usually rejected or covered up due to looseness and “imperfections”.
In this design these areas take on a key role. The leather hide can be used in its entirety, while the formerly discarded parts are not only integrated but create a characteristic aesthetic of the laptop bag.
Traces in skin – cellulite, throat lines, thick bites
Instead of concealing imperfections and flaws, the design highlights special marks of the skin.
Through specific color treatment the natural structures and irregularities are accentuated. Thereby each item will be unique and maintains to the origin of the material.
Sustainable leather
NECK AND BELLIES is a result of in-depth materials research investigating Olivenleder. The tanning agent, which is used, is made from olives leaves, a waste product of the olive cultivation industry. It creates a convincingly sustainable leather. Synthetic additives are no longer part of the tanning process.
In cooperation with
Heller Leder GmbH & Co. KG, Hehlen
DLM Deutsches Ledermuseum Offenbach am Main
Picard Lederwaren GmbH & Co. KG, Obertshausen
Jacobs GmbH, Eppertshausen
The project is supervised by Prof. Petra Kellner and Dipl. - Des. Knut Völzke
Developed at HfG Offenbach am Main
Pflanzenfarben
Natürlich – Leder und Farbe
Leder mit einem Extrakt aus Olivenblättern zu Gerben, welche als Abfall bei der Olivenernte anfallen, ist ein überzeugend nachhaltiges Verfahren, das dem besonderen Charakter des Naturprodukts Leder entspricht.
So kann auf die sonst üblichen synthetischen Zusatzstoffe verzichtet werden. Die vorgeschlagene Färbung mit Naturfarbstoffen setzt diesen Prozess konsequent fort.
Pflanzenfarben inszeniert die kräftige, intensive Farbwirkung ausgewählter natürlicher Farbstoffe und lässt sie mit dem vorhandenen, prozessbedingten Ausgangsfarbton interagieren.
Hierfür wurde experimentell auf der Basis von Pflanzenfarbstoffen ein Farb- und Kommunikationskonzept entwickelt, dass die natürlichen eränderungen und die Alterung eines nicht versiegelten Farbtons positiv als Nuancenreichtum und Farbverlauf thematisiert. Es bildet die Basis für eine Produktgeschichte zwischen der Authentizität des Materials und dem gezielten gestalterischen Eingriff.
Experimente
Ausgangsmaterial der Experimente ist ein mit Olivenblattextrakt gegerbtes Lederhalbzeug, welches als „Neutrales“ bezeichnet wird. Es ist haltbar, hell und offenporig, jedoch ohne Färbung und Oberflächenversiegelung. Das „Neutrale“ bietet eine gute Voraussetzung für die Färbung mit natürlichen Farbstoffen aus Pflanzen und Früchten. Diese Farbstoffe gehen eine chemische Verbindung mit dem Leder ein, können jedoch durch Licht (UV-Strahlung) oder Abrieb wieder gelöst werden.
Pflanzliche Farbstoffe können zwar eine intensive Farbigkeit aufweisen, gelten jedoch meist als weniger „brillant“ und sind zudem weniger lichtecht als synthetische Farben.
In Kooperation mit
Heller Leder GmbH & Co. KG, Hehlen
DLM Deutsches Ledermuseum Offenbach am Main
Picard Lederwaren GmbH & Co. KG, Obertshausen
Jacobs GmbH, Eppertshausen
Das Projekt wurde betreut von Prof. Petra Kellner und Dipl. - Des. Knut Völzke
Entstanden an der HfG Offenbach am Main
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